Es gibt unzählige Ratgeber zu psychischen Schwierigkeiten und Herausforderungen. Einige davon sind zweifelhaft und unseriös. Zu den definitiv professionellen und empfehlenswerten Autoren gehört Harlich H. Stavemann. Sein Grundlagenbuch heißt "Im Gefühlsdschungel", weitere Bücher beleuchten spezielle Problemaspekte von Menschen. Eines handelt von geringer Frustrationstoleranz (GFT), also der geringen "Bereitschaft von Menschen, etwas zu ertragen, was sie für falsch oder unangenehm und lästig halten - unabhängig davon, ob es für die eigenen Ziele sinnvoll ist oder nicht".
"Frustkiller und Schweinehundbesieger. Geringe Frustrationstoleranz und Aufschieberitis loswerden" heißt der Titel.
Es ist ein Buch für Betroffene, also Menschen mit einer geringen Frustrationstoleranz (GFT), die mit unerwünschten, lästigen Situationen selbstschädigend umgehen. Es kann für sich, aber auch als Begleitlektüre zu einer Psychotherapie, insbesondere einer Kognitiven Verhaltenstherapie, gelesen werden. GFT ist keine psychische Störung oder Erkrankung, sondern ein Verhalten und Erleben, das zur Entstehung und Aufrechterhaltung von psychischen Störungen / Erkrankungen beitragen kann. Stavemann erklärt anhand des biopsychosoziale Modells die Verursachung von GFT. Dabei nennt er sowohl biologische (genetische) Faktoren, als auch psychische wie das Modelllernen. Über Modelllernen können Eltern beispielsweise unwissentlich und unabsichtlich GFT vorleben.
Die Kognitive Verhaltenstherapie fokussiert darauf, dass es Gedanken sind, die unsere Gefühle und unser äußerlich sichtbares Verhalten stark beeinflussen. Anschaulich wird dieser Zusammenhang im ABC-Modell: Eine Ausgangssituation (A) bewerten wir auf eine bestimmte Art und Weise (B), dadurch kommt es zu bestimmten Gefühls- und Verhaltenskonsequenzen (C).
"Morgen ist auch noch ein Tag", ist ein solcher Gedanke, der Vermeidungsverhalten nahe legt. Menschen mit GFT zeigen Vermeidungsverhalten oft, da sie Situationen als unzumutbar oder zu lästig bewerten. Sie entscheiden sich, sich lieber nicht mit einer Sache auseinandersetzen, wie es nötig wäre, um nicht unter den späteren langfristigen Konsequenzen zu leiden, berichtet Stavemann. Er klärt die Leser*innen deswegen auf: Das Umsetzen der beschriebenen Inhalte des Buches gelinge nur durch intensives Üben und viel Mühe - eine Zumutung an Leser*innen mit GFT!
Das häufigste kognitive Konzept von Menschen, die aufgrund von GFT Situationen vermeiden, sei:
Das Leben muss einfach und leicht sein
Betroffene möchten sich stets wohlfühlen, ohne dass dieses Ziel etwas kosten soll (kein Aufwand, kein Verzicht usw.).
You can't have your cake and eat it
Es gebe eine Besonderheit bei Menschen, die unter GFT leiden und sich deswegen Hilfe suchen, in Ratgeber oder in Psychotherapie: Sie wissen oft schon selbst, was sie eigentlich tun müssten. Die Bequemlichkeit und der Krankheitsgewinn seien aber zwei starke Einflüsse, die Menschen daran hindern können, den bekannten Weg zur Veränderung tatsächlich zu gehen. Denn das Problem der GFT bringt immer auch Vorteile mit sich, zum Beispiel momentane Entlastung.
Lernziele für Vermeider/
Problemeinsicht:. Die Verantwortung für das eigene Verhalten übernehmen.
Verändern oder akzeptieren von unangenehmen Situationen.
Im letzten Kapitel relativiert Stavemann den Buchtitel ("Schweinehundbesieger") etwas: Der Schweinehund kann nicht ausgeschaltet werden, wir können ihn auch nicht dauerhaft loswerden, er ist ein untrennbarer Teil von uns. Aber wir können lernen, hilfreich mit ihm umzugehen. Wir können ihn an die Leine nehmen: Zum Beispiel, indem wir bei unseren Vorhaben nicht sagen, dass wir sie versuchen werden. Sondern, indem wir unser eindeutiges Commitment abgeben ohne Hintertüren. Wir planen konkret, präzise, realistisch unser Vorhaben und halten es schriftlich fest.